Matthias Lange, 5.Dan

Ein Lehrgang mit Matthias Lange, 5. Dan

  Als ein Arztkollege über das Thema der Ideo-Motorik sprach, wurde Matthias gleich hellhörig. Als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie ist er schon von Berufswegen her an dem sportpsychologisches Thema der Ideo-Motorik interessiert.

Zur Lehrgangseinstimmung erklärte Matthias, dass Ideo-Motorik nicht etwa okkultistische Handlungen sind, wie etwa das „Tischrücken“. Bei Ideo-Motorik geht es um die Verbindung von Vorstellungen und Handlungen. Eigentlich werden damit unsere unwillkürlichen (motorischen) Handlungen beschrieben, wie z.B. das Wackeln der Knie, wenn man ungeduldig auf etwas wartet, oder das leichte Nicken des Kopfes, wenn wir mit etwas einverstanden sind. Anders gesagt bezieht es sich auf alle Bewegungen, die nicht willkürlich, sondern durch Vorstellungen oder Ideen vermittelt werden. Untersuchungen haben gezeigt, dass auf solche Art und Weise ausgeführte Bewegungen weniger Energie verbrauchen und auch als deutlich weniger anstrengend empfunden werden. Sich dieses Phänomen zu Nutze zu machen und quasi „unwillkürliche“, ja teilweise fast als „wie von selbst“ wahrgenommenen Bewegungen bewusst in unsere Aikido Bewegungen zu integrieren, war die Intention für diesen Lehrgang.

Für die erste Trainingseinheit wählte Matthias das Prinzip der Leichtigkeit. Um ein Gefühl für Leichtigkeit zu bekommen, sollten wir uns vorstellen, eine Marionette zu sein. Unser Körper hängt an Fäden und ist so immer aufrecht. Arme und Beine werden wie von einem Marionettenspieler hochgezogen und wieder abgesenkt. Da natürlich kein echter Marionettenspieler oder die Gegebenheiten dafür vorhanden waren, um uns dies Gefühl zu vermitteln, hat Matthias große mit Helium gefüllten Ballons organisiert. Ohne willentliches Zutun haben die Ballone unsere Arme hochgezogen und uns so eine Vorstellung von Leichtigkeit vermittelt. Aufs Aikido übertragen, haben wir mit dem Gefühl der Leichtigkeit hochziehender Ballone die Aufnahme der Angriffes Shomen Uchi geübt. Bis zum Ende der ersten Einheit haben wir das ideo-motorische Prinzip der Leichtigkeit an der gesamten Technik des Soto Kaiten Nage erforscht.

Wie beim Yin und Yang hat auch die Leichtigkeit ein Pendant. In der zweiten Einheit beschäftigten wir uns daher mit der Schwere. Wie ist es Schwere zu fühlen und zu gebrauchen? In der Hypnose oder im autogenen Training kann es darum gehen, die Vorstellung zu suggerieren, sich schwer zu fühlen. Anhand einer bekannten Erfahrung, wie z.B. wenn man nach einem langen, körperlich anstrengenden Arbeitstag bleiern ins Bett fällt und oft auch gleich einschläft. Um nun das Schwersein zu spüren, sollten jeweils drei Partner durch Druck auf Schulter, Arme und Rücken einen weiteren knienden oder stehenden Partner beschweren. Es ist ein faszinierendes Gefühl, wenn die Partner loslassen, denn man glaubt, plötzlich 20 Kg leichter zu sein, ja fast schon abzuheben. Als zweite Übung, um Schwere wahrzunehmen, sollten wir 12 Kg Kugelhanteln hochheben und fallen lassen. Mit der Vorstellung die hochgehobene Kugelhantel hängt an einem Faden, sollten wir diesen Faden durchschneiden und erfühlen, wie die schwere Kugelhantel ungebremst zu Boden stürzt. Mit diesen Erfahrungen, wie Schwere wirkt, haben wir uns erneut an der Technik Shomen Uchi – Soto Kaiten Nage versucht. In der Kombination von Schwere und Leichtigkeit haben wir schließlich die gesamte Technik vervollständigt, wobei nun der richtige Zeitpunkt für das jeweilige Prinzip zu finden war.

Um speziell die Übung mit der 12 Kg Kugelhantel an einer Aikidotechnik zu demonstrieren, zeigte Matthias eine Variante vom Kote Mawashi, wie sie zwei Wochen zuvor Pascal Guillemin präsentiert hatte. Der Kote Mawashi, auch als Z-Hebel bekannt wegen der Z-Beugung des Armes von Uke, wurde nicht schulmäßig verhebelt, sondern Matthias führte seinen Griff schnell und eng am Z-Arm des Partners vorbei in Richtung Boden, als ob eine schwere Kugelhantel sie herabreißt.

Ideo-Motorik ist eine wunderbare Möglichkeit, um Bewegungen im Aikido zu verstehen, die durch das natürlich willentliche und bewusste Handeln, schwerer zu erlernen sind. Ideo-Motorik hat auch Bezüge zum Trance-Zustand, wobei Matthias dies als fokussierte Aufmerksamkeit im Wachzustand definiert und nicht wie man es üblicher Weise kennt als geistige Abwesenheit. Dass Trance eine Art von fokussierter Aufmerksamkeit sein soll, hat mich gleich an das Thema „Ki“ im Aikido denken lassen. Denn Ki hat viel mit Fokussierung oder Bündelung der Kräfte, des Geistes und der Energie zu tun. Somit schließt sich der Kreis von Ideo-Motorik und Aikido.

Alles in allem ein wunderbarer Lehrgang mit einem außergewöhnlichen psychologischen Thema und vielen inspirierenden Momenten.

Euer

Christian R.

 

Fotos: Aikido Zentrum Hamburg

     
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