Ein Lehrgang mit Rüdiger Keller, 8. Dan in Lüneburg
Die Welt der Aikido-Szene ist eigentlich sehr überschaubar. Man kennt sich, aber doch nicht jeden. Von Rüdiger Keller habe ich bisher noch nie gehört, obwohl er nicht weit weg von Hamburg und zwar in Ohlenstedt in der Nähe von Bremen lebt. Da war es ganz gut, dass er sich uns zu Beginn des Lehrgangs vorgestellt hat. Er ist ein echtes Aikido-Urgestein. Mit 14 Jahren begann er mit Aikido im Jahre 1965, da sein Vater durchs Judo einen Kontakt zu Eugen Hölzel hatte, einem renommierten Judoka in Hamburg. Damals hatte der Judoverband viele kleinere Budo-Künste betreut und Eugen Hölzel war sehr begeistert von dem damals noch neuen Aikido. Schließlich entstand ein Kontakt zu Meister Katsuaki Asai, der vom Honbu Dojo den Auftrag hatte, in Deutschland Aikido zu verbreiten. Wie aber so oft im Leben, wenn Kinder erwachsen werden, gehen sie ihre eigenen Wege. Nach einer lange Zeit im Aikikai von Meister Asai löste sich auch Rüdiger und gründete mit anderen Aikidoka den Bundesverband der Aikido-Lehrer „BdAL“.
Rüdiger ist das Körperverständnis und die Wahrnehmung sehr wichtig. Er begann daher mit Tai Chi Übungen. Wir sollten die eigene Mitte erspüren, die Stabilität und die Position des Körpers im Raum. Bei den ersten Partnerübungen ging es um die Art des Reagierens. Wird man geschubst oder gezogen, hält man erstmal reflexartig dagegen, um nicht umzufallen. Für die Übungen sollten wir versuchen, nicht mit einer willkürlichen Muskelanspannung zu reagieren, sondern die Reaktion auf einen Angriff sollte unwillkürlich geschehen, aber einer Vorstellung folgen, z.B. sollten wir locker sein und uns trotz des festen Fassangriffes am Kopf kratzen. Bei seinen Erläuterungen kam mir die Erinnerung an den Lehrgang von Matthias Lange zum Thema „Ideo Motorik – die Kraft von inneren Bildern“. Aikido funktioniert nicht durch Widerstand, sondern durch Lenken und dies kann durch Vorstellungen und Aufmerksamkeit für die Situation verstärkt werden. Mit diesem Gedankenansatz übten wir verschiedene Techniken, wie den Sokumen Irimi Nage, Sumi Otoshi und Ude Osae.
In der zweiten Lehrgangshälfte lernten wir Schwertformen. Dies war sehr angenehm, denn die Halle war schon sommerlich warm und ich hatte den ersten Anzug gegen einen frischen gewechselt. Zur Einstimmung zeigte uns Rüdiger Iaido-Techniken des Schwertziehens, die mit einem Schwerthieb und einem eleganten Zurückführens des Schwertes in die Saya beendet wurden. Es folgten verschiedene Kumitachi, d.h. Kontertechniken auf einen Schwertangriff. Als Kontertechniken eignen sich das direkte Stoppen eines Angriffes durch Entgegenhalten der eigenen Waffe, das Parieren und das Ausweichen mit Kontern. Abschließend gab es noch eine Wahrnehmungsübung. Der Nage wurde von hinten angegriffen und sollte erspüren, wann er angegriffen wird. Nun sollte er sich dem Angreifer zuwenden, wenn er meint zu fühlen, dass der Angriff beginnt. Wenn man nicht sehen kann, werden die anderen Sinne sensibler. Man spürt, wenn der Angreifer geht, das Schwert schwingt, der Anzug raschelt und sich irgendwie etwas verändert, dass den Angriff erahnen lässt.
Nach dem Lehrgang haben Sybille und Julia wieder uns ein wunderbares Menü gezaubert, das wir bei warmer Abendsonne vor dem Dojo genossen. Rüdiger hat uns natürlich noch mehr erzählt aus der Zeit, als Aikido in Deutschland anfing. Er hat unter anderem auch Rolf Brand kennengelernt in der Zeit, wo dieser den Deutschen Aikido Bund noch nicht gegründet hatte.
Vielen Dank an das Aikido Dojo Lüneburg für den schönen Lehrgang.
Wer mehr wissen will: Hier ein Interview mit Rüdiger Keller im Aikido Journal
Autor: Christian R. Foto: Julia K. (Gruppe), Titelbild: www.aikido-bremen.de