Im Gespräch mit Alfred Haase, 4. Dan Aikido
Alfred Haase, 4. Dan begann 1989 mit Aikido in der HTBU bei Eckhardt Claassen, 6. Dan. Heute ist er der 1. Vorsitzende des Aikido Verband Hamburg und Cheftrainer der Aikido-Abteilung beim Bramfelder Sportverein.
Christian
Ich freu mich, dass du dir für das Interview über dein Aikido und den BSV Zeit genommen hast. Ich möchte mit der Frage beginnen, wie bist du zum Aikido gekommen?
Alfred
Das war ein richtig langer Weg. Als Schüler wurde ich häufig von einem Mitschüler gepiesackt. Dadurch wollte ich damals schon gerne Judo erlernen. Meine Eltern konnten sich die Beiträge dafür nicht leisten. Erst als junger Erwachsener konnte ich mir das ermöglichen. Ich war kein besonders guter Judoka. Die meisten Kämpfe verlor ich deshalb. Nach zwei schweren Verletzungen musste ich mir etwas nicht so Verletzungsanfälliges suchen. Damals fiel mir ein Artikel im Wochenblatt auf. Eckhard Claaßen hatte den 4. Dan Aikido erlangt und die HTBU würde neue Mitglieder aufnehmen. Das war für mich der Schlüssel, um mit Aikido zu beginnen.
Christian
Erinnerst du dich an deine ersten Eindrücke, als du mit dem Aikido begonnen hast? Ab welchen Moment hat Aikido begonnen, dir Spaß zu machen?
Alfred
Es hat mir von vornherein Spaß gemacht hat. Zusätzlich kommt hinzu, dass diese Gruppe wirklich sehr toll gewesen ist. Es war eine sehr heterogene Gruppe. Es ging von sehr hohen Meistern bis zu ganz vielen Anfängern. Wir haben uns gemeinsam am Aikido entlang- und emporgezogen. Ich denke, das war der wichtigste Grund, dass ich dabei geblieben bin.
Christian
Du machst Aikido schon seit über 25 Jahren, was fesselt Dich am Aikido?
Alfred
Also das Fesselndste am Aikido sind die stetig wechselnden Rollen beim Üben. Ich übernehme sowohl die Rolle des Verteidigers als auch die des Angreifers. Es ist ein stetiges Geben und Nehmen. Dadurch gibt es keine Gewinner und Verlierer. Um ein guter Judoka zu werden, fehlte mir die Grundschnelligkeit. Beim Aikido hat das zunächst keine Priorität. Heute fesselt mich, das Zentrum des Partners zu kontrollieren. Immer meine Position so zu wählen, dass ich die Möglichkeiten habe, den Partner zu kontrollieren. Ich stelle mir das fast so vor, als wenn ich mit einer sehr tollen Partnerin Tango tanze. Was ich auch besonders spannend finde, Aikido ist eine total friedfertige Kampfkunst. Wir kennen ja keine Angriffstechniken, sondern nur Verteidigungstechniken.
Christian
Wenn man so lange eine Kampfkunst betreibt, drängt sich mir die Frage auf, ob du nur noch Trainer bist oder nimmst du auch noch Unterricht? Was kannst du noch von anderen Meistern lernen?
Alfred
Im Aikido ist die Silbe „DO“ von sehr großer Bedeutung. Es bedeutet Weg und es ist ein Weg des Lernens, der im Aikido nicht endet. Ich kann eine Menge lernen, in dem ich unterrichte. Zusätzlich ist ein Lehrer notwendig, der von außen auf mich schaut und Fehlentwicklungen verbessert. Darum ist es für mich sehr wichtig, mich bei anderen Meistern weiter fortzubilden.
Christian
Was würdest Du sagen, wie sich dein Aikido-Stil auszeichnet?
Alfred
Ich bin schon etwas älter und unbeweglicher. Ich habe dadurch für mich einen Aikido-Stil gesucht, bei dem ich mit wenigen Zentrumsbewegungen und mit einer sehr großen Weichheit und Durchlässigkeit den Partner kontrollieren kann. Es ist ein großer Fehler zu denken, man könnte eine Kampfkunst, wie Aikido erlernen, in dem man seine Kraft einsetzt. Mit Aikido sollte eine sehr zarte Person fast kraftlos einen großen massigen Menschen werfen können. Ein „Angreifer“ muss das Gefühl haben, ins Leere wie in Watte anzugreifen.
Christian
Was würdest Du einem Aikido-Anfänger empfehlen?
Alfred
Sich den richtigen Lehrer suchen, üben, üben, üben und dabei bleiben. Die Idee mit dem richtigen Gefühl für das Aikido wird bei den Übenden erst nach einiger Zeit des Lernens erfahren. Zunächst werden die Wurf- und Hebeltechniken zusammen mit der Fallschule unterrichtet. Dieses erfolgt in Absprache mit einem vorgegebenen Angriff und der dazu gehörigen Technik. Das große Ziel ist aber, Angriffe zu erspüren und je nach Energiefluss mit den richtigen Bewegungen unabhängig von Techniken zu reagieren. Der Partner kommt so zu Fall oder er wird irgendwie festgelegt.
Christian
Gibt es Unterschiede beim Aikido von damals und von heute?
Alfred
Ich glaube nicht, dass wir große Unterschiede machen können zwischen dem Aikido von damals und heute. Wir können nur unterscheiden zwischen den Aikido Stilen unterschiedlicher Meister, welche auf Ihrem Weg einen ganz eigenen Stil gefunden haben. Eckhard Claaßen hat mich natürlich ganz besonders geprägt. Danach war mein Interesse bei den im Aikido genutzten Waffen. Ich habe mich darum dem Takemusu Aikido zugewandt. Zusätzlich fasziniert mich die Weichheit vom Großmeister Endo.
Christian
Wodurch zeichnet sich das aus?
Alfred
Meister Endo mag die Kata überhaupt nicht mehr. Kata bedeutet, das Vorgeben von irgendwelchen Techniken und Angriffen. Er „erfindet“ Techniken aus einem Gefühl heraus.
Die Lehrmethoden meiner Meister waren auch sehr unterschiedlich. Bei Eckhard Claassen wurde, wie in den meisten Stilrichtungen, die Bewegungsfolge als Ganzes vorgemacht und entsprechend meiner Wahrnehmung nachgemacht. Das Lehrsystem beim Takemusu ist da anders aufgebaut. Hier werden die Techniken in viele Teilbewegungen zerlegt. Ich kann mich nach jedem Teil auf Stimmigkeit kontrollieren bzw. korrigieren. Dadurch wirken die Ausführungen etwas robotermäßig.
Christian
Welchen Wert misst Du den Waffen bei und wie nutzt du sie in deinem Unterricht?
Alfred
Ich finde die Waffentechniken für das Verständnis von Aikido sehr wichtig. Besonders das Schwert korrigiert mich jedes Mal in meiner Hand- und Körperhaltung. Ich werde die Waffen jetzt nach der Dan-Prüfungsphase wieder stärker in meinem Unterricht einbringen.
Christian
Was hat Dich dazu bewogen, eine eigene Aikido Gruppe zu gründen und wie bist Du zum BSV gekommen?
Alfred
Wenn man ein bestimmtes Niveau erreicht hat, sollte man auch für seine eigene Entwicklung die Lehrtätigkeit suchen. Die Reflexion der Techniken, um sie jemanden beizubringen, ist ungemein wichtig auf dem Weg der eigenen Entwicklung. Aus diesem Grund war es immer auch schon mein Wunsch, mein Wissen weiter zu geben und eben mit meinen Schülern zu lernen.
Beim BSV hatte die freitägliche Tanzsportgruppe aufgegeben. So sind wir in diese Trainingszeit reingerückt.
Christian
Kannst Du uns einen kurzen Überblick zur Entwicklung des Aikido im BSV darstellen?
Alfred
Wir hatten damals die Idee, sowohl Erwachsenen als auch Kindertraining anzubieten. Dabei hatten wir Glück und begannen schon mit einigen interessierten Erwachsenen. Durch Werbung an einer Schule kam von heute auf morgen eine halbe Schulklasse hinzu. Mittlereile sind wir zwar die zweitgrößte Gruppe in Hamburg, aber es kostet viel Mühe, dass wir das auch bleiben.
Christian
Was machst Du dafür, dass es erhalten bleiben kann?
Alfred
Das funktioniert nur durch Qualität in der Lehre und natürlich Werbung, z. B einer gute Darstellung im Internet. Ich versuche auch die Ressourcen in unserer Gruppe zu nutzen.
Christian
Was wären die 3 wichtigsten Meilensteine, die du nennen kannst. Sicherlich als erstes der Start, was folgt dann?
Alfred
Der zweite wichtige Meilenstein war es, die Gruppe lebensfähig zu bekommen. Also lebensfähig wird man, wenn man so um die 20 Mitglieder hat. Es muss Leben auf der Matte sein, damit Interessenten bleiben. Es ist auch wichtig, dass die Gruppe sich insgesamt wohl fühlt.
Christian
Wäre nicht auch der erste selbstgezogene Schwarzgurt ein Meilenstein.
Alfred
Oh ja, das ist natürlich ein Meilenstein. Das ist wohl Andreas gewesen, mittlerweile hat er auch schon den 3. Dan und arbeitet an dem 4. Dan.
Christian
Also scheint die Zukunft des BSV durch die nachreifende Generation an höheren Meistern gesichert zu sein.
Alfred
Wir im BSV sind sehr gut aufgestellt, dadurch dass wir viele durch den Deutschen Sportbund lizensierte Trainer, hohe Meistergrade und viele fleißige Teilnehmer haben.
Christian
Welche Ziele willst Du im BSV für dich noch erreichen?
Alfred
Also mein größtes Ziel ist, dass der BSV auch ohne mich zurechtkommt. Meine Frau will in naher Zukunft aufhören zu arbeiten. Danach haben wir viele Dinge gemeinsam vor, die nicht unbedingt mit dem Aikido zu tun haben. So planen wir mit unserem VW Bus quer durch Europa zu reisen.
Christian
Also stellst Du die Zukunft des BSV sicher, in dem Du hohe Meister nachziehst und du die Übergabe entsprechend gestaltest, dass diese im Verein akzeptiert sind.
Alfred
Genau ich muss akzeptierte Meister großziehen. Es muss so sein, dass unsere Aikidoka unabhängig von mir, gerne zum Training kommen.
Christian
Du bist der 1 Vorsitzende des AVHH. Welche Rolle ist damit verbunden
Alfred
Da ist erstmal die rein rechtliche Rolle. Das Vereinsrecht schreibt vor, dass ein 1. Vorsitzender, ein 2 Vorsitzender und ein Kassenwart als ein Minimum sein muss. Das zweite ist eine Organisatorische. Ich muss diesen Verband irgendwie am Laufen halten, am Leben halten.
Christian
Wie willst Du das bewerkstelligen?
Alfred
Das ist eine ganz schwierige Frage. Ich bin ja nur zu dem Posten gekommen, weil es keinen anderen gab. Ich wurde in diese Rolle reingedrängt, um den Landesverband zu retten. Ich bin nicht mit Freude reingegangen. Denn es ist viel Arbeit so eine Funktion anzunehmen und ich habe es mir im ersten Moment auch nicht zugetraut.
Christian
Wie sieht das heute aus?
Alfred
Es gibt heute immer noch keine Alternative, ich hätte gerne eine auch aus dem Grund heraus, den Landesverband gerne im Vorstand zu verjüngen und ich würde ihn gerne in feste Hände geben. Aber die jungen Menschen bei uns sind meistens so mit Ihrer Karriere und ihrem Werdegang beschäftigt, dass sie da überhaupt kein Interesse dran haben. Ich sehe zwar einige Personen die in der Lage wären, sowas zu machen, aber keine Person die es machen würde.
Christian
Wie entwickelt sich der AVHH?
Alfred
Also wir haben uns ja vor ein paar Jahren geöffnet, der AVHH ist ja vor langer Zeit gegründet worden, dominiert durch den Deutschen Aikido Bund. Der DAB ist damals auf Grunde seines sehr starren Verhaltens und sehr regieden Verhaltens ein bei vielen Aikidoka anderer Verbände verhasst gewesen und das ist bis heute so, dass der DAB für viele ein rotes Tuch ist. Mittlerweile sind wir nicht mehr so dominierend in Deutschland. Wir in Hamburg sind immer noch der einzige Dachverband, aber wir werden von allen anderen Verbänden ignoriert. Wir haben unsere Satzung geändert, sodass der DAB keine Rolle mehr spielt, wir wären also offen für alle, aber aus dieser alten, auf heute noch übertragenen Abneigung wurde das Angebot nie angenommen.
Wir habe als zweites Problem innerhalb von Hamburg , dass die meisten Vereine einen Mitgliederschwund haben, wir Bramfelder und die Walddörfer sind die einzigen die Ihren Stand halten konnten, es ist aber bundesweit so, dass fast alle Budo Vereine einen rasanten Mitgliederschwund haben. Wir können die Leute heutzutage nicht mehr dazu bewegen einer Budo-Kampfkunst beizutreten, wir haben keine großen Vorbilder mehr, wie damals mit dem Steven Seagal. Auch die mystische Bewegung, die Sinnsuchende Bewegung, die gibt es nicht mehr. Wir müssen zusehen, dass wir innerhalb der Vereine den Stand halten, um diese Zeit erstmal zu überbrücken und auf bessere Zeiten zu hoffen.
Christian
Wären Kooperationen mit Schulen interessant, da auch das Ganztagsschulsystem eingeführt wurde?
Alfred
Das wäre bestimmt interessant, wenn wir das Personal dafür hätten. Unsere Trainer sind ja alle überwiegend in Lohn und Brot und die Kooperationen mit den Schulen finden alle am Nachmittag statt. Es müssten also Trainer da sein, die in der Lage wären auch am Nachmittag Aikido an den Schulen zu unterrichten. Wir haben zwar mit dem Joachim einen Lehrer an einer Schule. Er ist am Walddörfer Gymnasium und unterrichtet auch dort innerhalb des Sportunterrichter Aikido. Viele Schulen suchen tatsächlich händeringend Trainer bei den Vereinen für Ihren Ganztagsnachmittagsunterricht.
Christian
Welche Ziele strebt der AVHH gegenwärtig und künftig an?
Alfred
Ich strebe an, dass unser Verband erhalten bleibt. Mein sehnlichster Wunsch wäre es, dass auch die anderen Aikido betreibenden Vereine in Hamburg zu uns stoßen würden, ich glaube, dass würde nicht nur uns, sondern auch die anderen bereichern.
Christian
Wie kann man das erreichen?
Alfred
Also was ich getan habe, ist ins Leere gelaufen, wir werden weiterhin ignoriert. Wir haben den Tendo Ryu und den Aikikai bei uns in Hamburg und wir habe noch frei Gruppen, die sich der IMAF angeschlossen haben. Die sind mit ihren Verbänden soweit glücklich. Ich habe mich mehrere Jahre hintereinander mit denen in Verbindung gesetzt. Mit einigen konnte ich auch vernünftig Reden, andere haben mich sofort abgewürgt. Ich habe denen unsere Satzung vorgestellt, die ja den DAB nirgendswo mehr als Pflicht erwähnt. Ich denke mal, ich bin mit den besten Begründungen an die Herangetreten, aber es ist nicht der Wille da, näher an uns heranzukommen. Wir haben es also leichter mit landesfremden Verbänden, dass wir Freundschaften, Partnerschaften schließen. Sie haben es eigentlich auch nicht nötig, es ist nicht wichtig uns beizutreten, sondern die könne darauf verzichten vom HSB Gelder zu bekommen. Ich finde es jedoch schon sinnvoll, denn wir könnten besser auftreten, denn der Landesverband würde sich vergrößern. Wir würden neue Impulse kriegen. Wir könnten vielleicht einen neuen ersten Vorsitzenden wählen.
Christian
Lieber Alfred, vielen Dank für das Gespräch.